Montag, 24. August 2009
1968. Die große Unschuld: Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld
Anfang August durften wir in Bielefeld die für uns in diesem Jahr eindrucksvollste Ausstellung erleben.



Unter dem Titel "1968. Die große Unschuld" waren bis zum 8. 8. 2009 300 Werke von über 150 internationalen Künstlern zu sehen. Leider gab es hier - wie in vielen anderen Museen mittlerweile auch - ein Fotografierverbot, sodass wir nur einige Außenaufnahmen der Halle machen konnten.



Vor dem Eingang hing eine der Architekturskulpturen, die mit an Raumanzüge angelehnte Ballons "weitaus perfekter als jedes Gebäude" sein und ein "Maximum an Mobilität" bieten sollen, wie HANS HOLLEIN 1967 in seinem Manifest "Alles ist Architektur" schrieb. Ausgestellt waren unter anderem Werke von ARCHIGRAMM. COOP HIMMELB(L)AU und CHRISTO.

Ein Durchgangssaal zeigte unter dem Titel "Jäger, Sammler, Malerfürsten" Exponate von BASELITZ, PENCK und LÜPERTZ.

ANSELM KIEFERS "Heroische Sinnbilder" sind auch heute noch eine Provokation, da in jedem der - zunächst harmlos anmutenden - Motive ein Mann mit zum Hitlergruß erhobener Hand zu sehen ist.

Über JOSEF BEUYS und seine Schüler gelangte man zu den österreichischen Aktionskünstlern, die es im extrem konservativen Wien durchaus darauf anlegten, von der Polizei verfolgt zu werden. Als OTTO MÜHL und GÜNTER BRUS ihre Aktionen in der Wiener Universität einem akademischen Publikum vorführten - unter anderem wurden wirklich alle körperlichen Vorgänge live demonstriert und auf Film festgehalten - reagierte der österreichische Staat nach einer medialen Hetzkampagne mit der Verhaftung und Verurteilung der Künstler.
Aktion von Günter Brus und Kurt Kren von 1965 (youtube), die bei der Ausstellung nicht gezeigt wurde, darf als Beispiel dienen



Sehr eindrucksvoll waren auch die "Big Electric Chair(s)" von ANDY WARHOL, 1967 als Schwarz-Weiß-Druck auf farbig grundierter Leinwand geschaffen und vor allem auch die Räume, in denen die Auseinandersetzung amerikanischer Künstler mit dem Vietnamkrieg gezeigt wurden. Mir - der den Krieg als damals ca. 10 - jähriger im Fernsehen miterlebt hat - lief mehr als ein kalter Schauer den Rücken hinunter.

Interessant der Raum mit "Arte Povera", armer Kunst aus Italien. Hier ist mir besonders das Werk "Senza titolo (Struttura che mange) [Ohne Titel(Essende Struktur)]" von GIOVANNI ANSELMO in Erinnerung geblieben, eine Salat essende Skulptur, bestehend aus einer Granitsäule, einem Granitblock, Kupferdraht, Sägemehl und eben jenem Kopfsalat, der immer wieder ausgetauscht werden muss, wenn er zwischen den Blöcken weg ins Sägemehl fällt. Sehr lebendig ... im wahrsten Sinne des Wortes.
Ebenso lebendig erschienen die zwischen Glasscheiben geklemmten Salamischeiben und Schokoladentafeln, die seit 1968 vor sich hin gären dürfen!

Der Bereich Licht zeigte in weiten Bereichen die Farbenwelt der späten 60er Jahre mit Gelb, Orange und Rot sowie Schwarzlicht in Neon - Installationen zum Beispiel von DAN FLAVIN. Eine andere Welt betrat man in dem völlig in weiß gehaltenen Raum, in dem DOUG WHEELER´S "Light Encasement", ein Quadrat aus Acrylglas und bläulichen Neonröhren, installiert war. Ätherisch schön!
Fremdvideo (youtube) zu Light Encasement Das Video kann höchstens eine Anmutung der wirklichen Installation wiedergeben

Für mich persönlich waren auch die Silbergelantine - sw - Abzüge verschiedenster Künstler sehr interessant, die man aber auch nicht aufnehmen durfte. Ich habe dann die Regel ein klein wenig gebrochen und selbst eine Schwarz - Weiß - Aufnahme eines mir nahe stehenden Gesamtkunstwerks geschossen.



Trotz Wespen war die Terrasse des Museums mit dem schönen Ausblick einen Besuch wert.





EDIT: Einige Beispiele aus youtube